Imkerrunde: Es geht nicht ohne die Bewirtschafter

imkerrunde

Informierten die Imker aus dem Verbandsgebiet des LV Mittelweser über den Niedersächsischen Weg: Dipl. Ing. agr. Nora Kretzschmar und Dr. Joachim Wendt von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Landvolk-Vorsitzender Christoph Klomburg (links).

Graue (ufa). Zu einer guten Tradition ist zwischenzeitlich – trotz pandemiebedingter Pause – die Imkerrunde geworden, zu der das Landvolk Mittelweser und die Landwirtschaftskammer Niedersachsen einmal im Jahr die Imkervereine im Verbandsgebiet einladen. Thematisch im Zentrum des Austauschs in Steimke’s Hotel in Graue standen der Niedersächsische Weg und die angestrebte Biodiversität im Kontext von Landwirtschaft und Bienenhaltung.
„Der Niedersächsische Weg ist ein einmaliges Konstrukt in der politischen Landschaft“, führte der LV-Vorsitzende Christoph Klomburg in seiner Begrüßung der rund drei Dutzend Bienenexperten an, und empfahl den Parlamenten in Berlin und Brüssel sowie den anderen Bundesländern das Konzept als praxisorientiertes Vorbild. „Unsere Naturräume – fast ausnahmslos facettenreich von Menschenhand gestaltete Kulturlandschaften – sind ein Schmelztiegel verschiedener Interessen und Sichtweisen geworden, die alle für sich ihre Berechtigung haben. In Niedersachsen haben sich die Player aus der Agrarwirtschaft, den Naturschutzverbänden und der Politik an einen Tisch gesetzt und gemeinsam einen Weg ausgearbeitet, den niedersächsischen eben.“
Kern der Imkerrunde war ein Vortrag von Dipl. Ing. agr. Nora Kretzschmar, Fachreferentin Naturschutz bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Ihr Thema: Der Niedersächsische Weg, dessen Zustandekommen sie eingangs als einen vorbildlichen Weg der Vernunft bezeichnete: „Vor dem Hintergrund des Insektensterbens und einer stark rückläufigen Artenvielfalt drohte 2019 – auf Initiative der Naturschutzverbände und mit erheblicher medialer Unterstützung – ein Volksentscheid, der die Naturschutzgesetzgebung erheblich verschärft hätte. Schnell wurde deutlich, dass Biodiversität ohne die Bewirtschafter nicht zu machen ist. Trotz vordergründiger Interessenkonflikte suchte man auf höchster Ebene, zunächst bei Kamingesprächen im kleinen Kreis, zwischen Vertretern der Landesregierung, des Nabu und BUND, der Landwirtschaftskammer sowie des Landvolks den Dialog, fand in oftmals mit harten Bandagen ausgetragenen Gesprächen einen Konsens.“
Ein hochkomplexes Konstrukt im Spannungsfeld von Rechtsräumen, Ökonomie, sozialen Komponenten und Interessenslagen entstand unter einem Dach und fand das einstimmige Votum des Landtags in Hannover. Ausdrücklich wurde in dem Papier die Vorbildfunktion des Bundeslandes herausgestellt. Am 25. Mai 2020 unterzeichneten Ministerpräsident Stephan Weil, die damalige Landwirtschaftsministerin und der Umweltminister, die Präsidenten der Landwirtschaftskammer und des Landvolks sowie die Vertreter von Umweltverbänden nach mehrmonatigen Verhandlungen die Vereinbarung über den Niedersächsischen Weg. Agrarministerin Barbara Otte-Kinast seinerzeit: „Möglich war der Schulterschluss nur, weil alle Partner die Überzeugung einte, dass unsere Landwirte die geborenen Partner für diese Vereinbarung sind. Sie leben seit Generationen von und mit der Natur. Sie haben zudem das Wissen, die Flächen und ein großes eigenes Interesse am Natur- und Artenschutz.“
Finanzielle Mittel wurden bereitgestellt, Wissen ausgetauscht und verschiedene Programme auf den Weg gebracht. Gemeinsam schnürte man ein breitgefächertes Arbeitspaket, das unter anderem die Bewirtschaftung von Gewässerrandstreifen einschränkt, außerdem die Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel, vernetzte Biotope, klimaschonende Moorbewirtschaftung sowie eine Ausweitung des Ökolandbaus zum Ziel hat. 350 Millionen Euro will die Politik im ersten Schritt bis 2024 für den Artenschutz bereitstellen, ein nicht unerheblicher Teil davon fließt als Ausgleichszahlung an die beteiligten Bauern.
Der Niedersächsische Weg sieht Anpassungen verschiedener Gesetze vor, vor allem des Niedersächsischen Wassergesetzes und des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz. „Da gibt es noch eine ganze Reihe von Regularien und Definitionen, die es zu harmonisieren gilt, besonders mit Blick auf die übergeordneten Rechträume auf Bundes- und EU-Ebene“, sagte Dr. Joachim Wendt, Leiter der Fachgruppe Pflanzenschutz und Pflanzenbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Erstaunen kam bei den anwesenden Imkern hinsichtlich der vielschichtigen, kaum zu überschauenden Strukturen des Niedersächsischen Wegs auf. Und wie stark die heimische Landwirtschaft auf breiter Front und abseits wirtschaftlicher Erträge davon betroffen ist. „Wer soll das denn alles überblicken?“, so eine Meinung aus dem Saal. Auf der anderen Seite aber auch zustimmendes Nicken, denn es sind unter anderem die Imker und ihre Bienenvölker, die vom Niedersächsischen Weg in hohem Maß profitieren.
Was wurde erreicht, was bleibt zu tun? Dipl. Ing. agr. Nora Kretzschmar: „Es gibt eine Vielzahl erfolgreicher Aktivitäten, die naturgemäß meist regional begrenzt sind und hinsichtlich ihrer Umsetzung eine inhaltlichen Schwerpunkt bilden. Dem einen liegen die Waldvögel am Herzen, dem anderen Insekten, Würmer, Amphibien … Es gilt nun, diese guten Ansätze zu bündeln und miteinander zu verknüpfen. Unübersehbar sind die Aktivitäten der Landwirte, vielerorts zu erkennen an den zahlreichen Blühstreifen und der Ackerbegleitflora, Brachflächen sowie veränderten Strukturen in den Gewässerrandbereichen. Der Niedersächsische Weg hat eine gewaltige Distanz zu durchmessen und wir stehen gerade erst am Anfang. Geduld und ein langer Atem sind für seinen Erfolg unerlässlich. In der Tat gibt es viele Wenns und Abers, so einiges in den Programmen läuft noch starr und zäh. Artenreichtum einzig durch Beschränkung des Pflanzenschutzes zu erzielen, greift zu kurz. Biodiversität ist eine komplexe Thematik, um sie zu beflügeln, bedarf es deutlich mehr.“
Der anschließende Austausch zu aktuellen Fragen und möglichen Problemstellungen geriet ausgesprochen kurz. Ganz offensichtlich läuft das Miteinander von Imkern und Bauern reibungslos. Bienenschäden sind stark rückläufig, was sich zum einen durch die Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln erklärt. Außerdem funktioniert die Kommunikation zwischen Imkern, Bauern und Lohnunternehmen im Vorfeld von Pflanzenschutzmaßnahmen nahezu reibungslos.
Zum Schluss berichtete Christoph Klomburg von einer positiven Erfahrung: „Nach vielen Jahren verabschiedete sich mein Imker, der seine Bienenstöcke immer am Rand meiner Rapsschläge aufgestellt hatte, in den Ruhestand. Bei der Suche nach einem Nachfolger stieß ich auf die Homepage www.bauer-imker.de im Internet. Darin fand ich nicht nur jede Menge Informationen zu gemeinsamen Themen, sondern auch eine Bestäubungs- und Trachtbörse, die Imker und Bauern zusammenführt. Ich habe das ausprobiert und das Portal klappte hervorragend. Im Handumdrehen meldete sich ein interessierter Bienenzüchter, der am Ende mit seiner Ernte von 70 Kilogramm Honig hochzufrieden war.“