Verordnung und Gesetz mit dramatischen Folgen

Verordnung und Gesetz mit dramatischen Folgen

Besonders Schadinsekten wie der Rapsstängelrüssler oder der Kohltriebrüssler starteten bereits durch und wurden in großer Zahl in Gelbfangschalen nachgewiesen.

Es ist noch gar nicht lange her, da wurde der Niedersächsische Weg feierlich verabschiedet: eine gemeinsame Erklärung von Naturschutzverbänden, Ministerien und Landwirtschaftsverbänden, die die Artenvielfalt und den Naturschutz im Fokus hat. Ein bisher einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik, der einstimmig über alle Parteien im Niedersächsischen Landtag beschlossen wurde. Durch das jüngst in Berlin beschlossene Aktionsprogramm Insektenschutz (API) und die Novelle der Pflanzenschutzanwendungsverordnung werden diese Pläne zunichtegemacht. Während der Niedersächsische Weg den Landwirten die von Umweltminister Olaf Lies immer wieder als zwingend notwendig erachteten Ausgleichszahlungen für Naturschutzmaßnahmen per Gesetz garantierte, widerspricht das API diesen Bekundungen.

„Die genauen Auswirkungen auf unseren Betrieb sind aufgrund noch fehlender Definitionen zur Umsetzung noch nicht umfänglich absehbar“, sagt Landwirt Christian Meyer aus Schweringen. „Ich rechne persönlich damit, dass Landschaftsschutzgebiete mittelfristig auch mit entsprechenden Auflagen befrachtet werden sollen“, sagt der Landwirt, der vom Bewirtschaftungsverbot an Gewässern ohne finanziellen Ausgleich getroffen wird. „In Summe werden so etwa anderthalb Hektar unserer insgesamt 120 Hektar aus der Produktion genommen. Klingt zunächst nicht viel, sind dann aber auch 3.000 Euro Umsatzrückgang, die beim Jahresergebnis fehlen werden“, erklärt Christian Meyer. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Erzeugung durch die Verabschiedung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung bundesweit um mindestens 1,2 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche eingeschränkt würde, was sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland entspricht. Im Landkreis Diepholz sind über 1.600 Hektar Ackerfläche und über 5.800 Hektar Dauergrünland von dem Insektenschutzpaket betroffen.

Für Niedersachsen wird die Umsetzung mit den Vereinbarungen zum Niedersächsischen Weg kollidieren. „Wir wollen, dass Naturschutz und der Erhalt unserer Landwirtschaft in Einklang gebracht werden“, unterstreichen Tobias Göckeritz und Christoph Klomburg, die beiden Vorsitzenden des Landvolk Mittelweser, unisono. „Der Bund beschließt Verordnungen, die jegliches Vertrauen unserer Mitglieder in politische Zusagen an die Landwirtschaft zunichtemachen. Die Unterschrift von Ministerpräsident Stephan Weil unter den Niedersächsischen Weg wird nahezu wertlos, wenn die Bundesregierung bei ihren Plänen bleibt.“

Enttäuscht zeigt sich auch Landwirt Arend Meyer aus Engeln: „Wie kommt die Politik dazu, uns Landwirten vorzuschreiben, auf einem zehn Meter breiten Gewässerrandstreifen Dünger und Pflanzenschutz zu verbieten? Und das ohne einen finanziellen Ausgleich. Wir Landwirte schützen Insekten und bieten Lebensräume an. In Baugebieten finden wir leider oft Steingärten. Sind etwa nur wir Landwirte für die Insekten zuständig?“ Dass die Anwendung von Glyphosat verboten werden soll, wird viele Landwirte hart treffen: Damit werde ein gesamtes Bodenbearbeitungssystem mit wichtiger Schutzfunktion für das Bodenleben zu Grabe getragen, meint Christian Meyer. Für den erhöhten Aufwand für zusätzliche mechanische Bodenbearbeitung mit dadurch auch höheren Wasserverlusten in der Krume im Frühjahr rechnet er für seinen Betrieb mit einer zusätzlichen Belastung von etwa 100 bis 150 Euro pro Hektar Mulchsaatfläche.

„Die getroffenen Entscheidungen sind politisch und beruhen nicht auf Tatsachen“, sagt Wilken Hartje. Der Kreislandwirt des Landkreises Diepholz bedauert, dass Fachleute und Politik schon lange nicht mehr die gleiche Sprache sprächen. Durch das Verbot des Glyphosat-Einsatzes würden sich langfristig schwer bekämpfbare Unkräuter aufbauen, sagt der Landwirt aus Clues.

Das Landvolk Mittelweser sieht mit Sorge, dass der Niedersächsische Weg mit seinen mühsam erarbeiteten Kompromissen durch das neue Gesetz faktisch unterlaufen werde. Werden die Beschlüsse des Kabinetts nicht vollständig von Bundestag und Bundesrat revidiert, soweit sie ordnungsrechtliche Maßnahmen im Bereich der Pflanzenschutzanwendungsverordnung vorsehen, können diese nicht mehr gefördert oder entschädigt werden.

Manche Planungen gehen sogar so weit, dass Fördergelder aus Brüssel umgeleitet werden sollen, um am Ende wie eine Entschädigungsleistung gesehen werden zu können. Dabei kommt dem einzelnen Landwirt unterm Strich nicht mehr Geld zugute. Denn auf der einen Seite wird ihm genommen, was ihm auf der anderen Seite zugestanden hätte – nur die Auflagen sind erheblich gestiegen. Arend Meyer konstatiert: „Durch solche weitreichenden Verordnungen in diesem Superwahljahr hat das Vertrauen in unsere Politiker stark gelitten.“